Sollte Gottes allmächtige und würdige Hand so ein unreines und unflätiges Menschenbild geschaffen haben, wie Ihr behauptet“, ruft der Ackermann dem Tod zu, „wäre er ein tadelnswerter und schlampiger Schöpfer. Dann gälte auch nicht, daß Gott alle Dinge und den Menschen über alles andere hinaus gut erschaffen hätte!“ Und fuhr fort: „Wo hätte je ein Werkmeister ein so geschicktes und kunstreiches Werkstück, eine so raffinierte kleine Kugel geschaffen wie ein Menschenhaupt?“
Schaut man sich die Kunst der Frührenaissance an, sieht man die Worte des Ackermanns bildhaft umgesetzt. Seit Giotto (1267-1337) beschäftigen sich die Maler in besonderer Weise mit der Gestaltung von Köpfen und Gesichtern. Sie werden, wie der Körper insgesamt, plastischer, „natürlicher“. Die menschlichen Figuren sind nicht mehr einer transzendenten Symbolik untergeordnet, sondern bekommen als
Wesen in dieser Welt ihre eigene Bedeutung. Heilige werden noch durch Gloriolen gekennzeichnet, aber diese wirken nun seltsam fremd wie an die Hinterköpfe geklebte Teller. Fünfzig Jahre später stellt in Böhmen der Meister von Hohenfurth dann Maria, Jesuskind und die Heiligen Drei Könige ohne Heiligenschein dar wie natürliche Erdenmenschen. Auch künstlerisch gehörte das Land Karls IV. und Johannes‘ von Neumarkt von nun an zur Moderne.
Zunehmend rückte die profane Welt in den Mittelpunkt des malerischen Interesses. Herrscherdarstellungen gab es schon immer, oft posthum angefertigt, aber selbst bei Abbildungen zu Lebzeiten konnte man an der Ähnlichkeit zweifeln. Das lag nicht an malerischem Unvermögen, vielmehr war die Inschrift wichtiger als die naturalistische Nachahmung. Beim Gesicht Kaiser Karls IV. jedoch, das auf einer gotischen Votivtafel von 1375 zu sehen ist – Johannes war damals wahrscheinlich schon Notar in Saaz –, hat sich der unbekannte Künstler erkennbar um Ähnlichkeit bemüht.
Die Porträtmalerei wurde ein beliebtes Genre, nicht nur aus Interesse am Menschen in der Welt, sondern auch aus weltlichem Finanzinteresse: Ein selbstbewusstes, kaufkräftiges Bürgertum und ein stolzer Militäradel sorgte für Nachfrage. Auch porträtierten die Maler sich und ihre Familie jetzt gerne selbst. Vor der schonungslosen Darstellung von Alter und Verfall schreckten sie oft nicht zurück; Individualismus, Realismus und
Authentizität gingen dann vor Schönheit. Der menschliche Alltag, das Familienleben, die Ehefrauen waren es nun wert, dargestellt zu werden. Für diesen Realismus wurde die biblische Geschichte auf die Erde geholt und die Welt vergöttert.